Können Urlaubsansprüche verjähren?
Die Klägerin, von 1996 bis 2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin tätig, hat im Kalenderjahr Anspruch auf 24 Urlaubstage. Im März 2012 bescheinigt ihr der Arbeitgeber, dass ihr Resturlaubsanspruch von 76 Tagen aus 2011 und den Vorjahren nicht verfallen werden. Die Klägerin hatte die Urlaubstage aufgrund hohen Arbeitsaufwandes in der Kanzlei nicht nehmen können. In den folgenden 5 Jahren, von 2012 bis 2017, genehmigt der Arbeitgeber der Klägerin insgesamt 95 Urlaubstage.
Im Februar 2018 verlangt die Klägerin auf dem Klageweg die Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren. Der Arbeitgeber erhebt die Einrede der Verjährung. Er macht geltend, die Urlaubsansprüche seien (nach regelmäßiger Verjährungsfrist von drei Jahren (§195 BGB)) bereits verjährt.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf folgt der Auffassung des Beklagten nicht. Es gibt der Klage statt und verurteilt den Beklagten zur Abgeltung von 76 Urlaubstagen aus den Jahren 2013 bis 2016. Das Revisionsgericht, der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts, hält nun für entscheidungserheblich, ob die offenen Urlaubsansprüche der Klägerin aus 2014 und den Vorjahren bei Klageerhebung bereits verjährt waren.
Nach §7 Abs. 3 BUrlG konnten die Urlaubsansprüche nicht verfallen. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub erlischt grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret dazu aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen. Zudem muss er ihn darauf hingewiesen haben, dass der Urlaubsanspruch andernfalls verfallen kann. Dieser Pflicht ist der Beklagte nicht nachgekommen.
Der Senat hat den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um Vorabentscheidung über die Frage ersucht, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht bereits nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen konnte, gemäß § 194 Abs. 1, § 195 BGB der Verjährung unterliegt.
Quelle:
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29. September 2020 - 9 AZR 266/20 (A)-
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 21. Februar 2020 - 10 Sa 180/19 -